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Das Buch

(Endfassung)

Hier sind die Erzählungen, auf die du seit drei Ewigkeiten wartest!
Sie öffnen Tore zu vernagelten Verliesen und eine führt zu dir selbst. Prickelnd sind die Geschichten, raffiniert werden sie erzählt und dir halten sie den Brenner unters Gesäß, der dich endlich zum Laufen bringt.
Du willst vorankommen und redest dir ein, das ginge nicht, weil du Bleischuhe trägst. Ja, du hast Bleischuhe an den Füßen, also zieh sie aus.
Aber, was dich unbeweglich macht wie einen Betonklotz, ist die Angst vor Veränderung. Deshalb steh auf und lies dieses Buch. Es ist dramatisch und vielfältig und durchweht dich wie ein Taifun.
Aber du sitzt in einem durchgesessenen Sessel, kannst dich nicht entschließen zu verdampfen oder zu verduften und hoffst, die Zeit nimmt dir die Entscheidung ab und du kannst bis ans Ende deiner Tage so sitzen bleiben. Das ist dein alltäglicher Horror.
Du hast nichts mehr zu verlieren, du hast nur noch alles zu gewinnen. Also los. Reiß die Zähne zusammen und beiß dich in den Riemen. Lies dieses Buch.
Steh auf und geh. Für das Leben hast du gelernt, nun lernt dich das Leben kennen und fürchten.
Aber ich warne dich. Du wirst Brennstoff der Hölle sein, wenn du deine Zeit mit Sinnlosem verschwendest.
Trenn dich von deinen falschen Feinden. Aus Angst vor Einsamkeit hast du dich mit schlaffen Leuten abgegeben, deren subtiler Wahnsinn deine Seele krank machte und deinen Körper faulen ließ.
Also such dir einen würdigen Feind und sorg dafür, dass er dich ebenso hasst wie du ihn, denn einseitiger Hass ist langweilig. Dein Feind soll dir treu bleiben und mit niemand anderem Streit suchen als mit dir.
Wer kann das sein? Überleg. Wer hat deine Narzissen zertrampelt und deinen Vöglein die Kehle durchgeschnitten? Ja, jetzt erinnerst du dich an damals, als ihr euch noch mit euren Säbelbeinen gegenseitig die Schädel spaltetet. Blut floss wie Champagner.
Er ist es. Der aussieht wie eines jener Arschgesichter, die ständig gegen den Wind kacken.
Er pfeift aus seinem letzten Loch und der Geruch ist unerträglich. Deine Feindschaft wird ihn beleben wie hundertzwanzig Peitschenhiebe. Er weiß noch nicht, dass das Leben eine Farce ist. Sofern es denn ein Leben gibt.
Geh in seinen Unterschlupf. Er hat sich auf seinen Hintern gesetzt, hält die Backen und wartet darauf, dass ihm jemand sagt: Lies dieses Buch.
Nur einer von euch beiden kann es lesen. - Ist er das? Bist du es? Kämpfe darum mit allen deinen Mitteln.
Füll deinem Feind die Taschen mit Tod und Verwesung, verkleb sie und tacker sie ihm an den Leib.
Du verhältst dich wie ein tobender Albtraum. Damit kannst du weit kommen.
Deshalb frag dich: Ist es die Feindschaft mit dem Arschgesicht wert, dass du ihr Dauer verleihst, als wäre es Liebe? Dauerhafte Liebe führt zu Fleischesschwund, sobald sie über den Tod hinausgeht. Also lass es.
Endlich bist du auf dich gestellt, aufrecht in der Welt. Aber bedenke, dass du kein Leuchtturm bist. Die Lichtsignale für künftige Wracks senden andere aus. Und ich warne dich: Das Buch hast du immer noch nicht gelesen. Lies es!
Geh in dich, auch auf die Gefahr, im Leeren zu stehen. Und üb dich, üb dich in Selbstsucht, bis du ihr Meister bist. Warum sollst du leiden, wenn andere es besser können?
Bleib dir selbst treu und betrüge nur die Anderen. Indem du die Anderen betrügst, bleibst du dir selbst treu. Nur die Treue zählt!
Wohin zieht es dich? – Überall kann man glücklich sein. Nur, was hat man davon?
Jetzt wohnst du in einem Dorf, das noch keines Menschen Fuß betreten hat.
Du fühlst dich wie ein mutterloser Drache.
Such das Chaos und wirf dich hinein.
Menschenähnliche Subjekte durchtoben die Gegend; nimm dich in Acht.
Marodierende Beamte haben sich bewaffnet und verfolgen in rasender Wut ihren schlimmsten Peiniger: dich – den unkorrekten Ausfüller von Formularen.
Flieh vor ihnen, such dir ein Kellerloch und lies dieses Buch.
Doch sicher bist du nirgends. Ungerechtigkeit widerfährt dir überall, gerade dir.
Auch andere haben in Einkaufszentren in stille Ecken uriniert und niemand hat ihnen daraus einen Strick gedreht. – Aber dir dreht man aus deinem Urin Stricke, die dicker sind als ein Elefantenrüssel.
Das ist kleinlich.
Und so kommt’s: Die Kleinlichen vernetzen sich zum Vorteil deiner Verfolger.
Die Pfeifenbäcker sagen dir: Wie man ins Brot hineinbeißt, so beißt es zurück.
Du denkst dir: Auch Absurdes kann gelogen sein.
Wird man dir die Freiheit nehmen, dich in ein Rattenloch werfen, dir Nahrung verweigern und deine Haut mit Peitschenhieben kerben?
Ja. Das Kopfgeld, das auf deinen Arsch ausgesetzt ist, treibt den DAX auf Rekordniveau.
Deine Nerven fliegen hoch. Und im Rinnstein liegt dein Sonntagsbraten und wartet auf die Straßenbahn.
Du siehst das Verbrechen kommen und sagst dir: Hätte ich um Hilfe gerufen, als man mich noch ernst nahm. Nein! Hättest du dein Leben lang um Hilfe gerufen, hätte dich niemand ernst genommen. Auch deine Verfolger nicht. Nun sind deine Verfolger die Einzigen, die dich noch ernst nehmen.
Mach’s Beste draus.
Lass dich fangen und sag einem von ihnen:
Lies, was dich voranbringt, Verfolger. Dieses ist dein Schicksal. Dein Schicksal ist ein Buch.

Lesen Sie, was Sie voranbringt. Lesen Sie das Buch,
auf das Sie seit drei Ewigkeiten warten:

Szenen der Angst
(Das Buch)

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  • Szenen der Angst

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