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Das Buch

(Erste Fassung)

Hier sind die Erzählungen, auf die du seit drei Ewigkeiten wartest!
Sie öffnen Tore zu vernagelten Verliesen und eine führt zu dir selbst. Prickelnd sind die Geschichten, raffiniert werden sie erzählt und dir halten sie den Brenner unters Gesäß, der dich endlich zum Laufen bringt.
Du willst vorankommen und redest dir ein, das ginge nicht, weil du Bleischuhe trägst. Ja, du hast Bleischuhe an den Füßen, also zieh sie aus.
Aber, was dich unbeweglich wie einen Klotz macht, ist die Angst vor Veränderung. Deshalb steh auf und lies dieses Buch. Es ist dramatisch und vielfältig und durchweht dich wie ein Taifun.
Aber du sitzt in einem durchgesessenen Sessel, kannst dich nicht entschließen zu verdampfen oder zu verduften und hoffst, die Zeit nimmt dir die Entscheidung ab und du kannst bis ans Ende deiner Tage so sitzen bleiben. Das ist dein alltäglicher Horror.
Du hast nichts mehr zu verlieren, du hast nur noch alles zu gewinnen. Also los. Reiß die Zähne zusammen und beißt dich in den Riemen. Lies dieses Buch.
Steh auf und geh. Für das Leben hast du gelernt, nun lernt dich das Leben kennen und fürchten.
Geh in ein beliebiges Haus, klopf an die erstbeste Tür, tritt ein und du stürzt in die endlose Tiefe, wie in einen schlimmen Albtraum. Du landest in der Mitte eines dunklen Wassers. Du tauchst auf, schüttelst das Wasser aus den Haaren und schaust über die bewegte Wasserfläche. Kein Ufer auf keiner Seite. Du denkst dir, der Tod in den Wellen soll nicht das Einzige sein, was Bewegung in dein Leben bringt.
Nun, vor dem Ertrinken, bereust du bitter, dass du das Buch nicht früher gelesen hast, dann wärst du jetzt klüger.
Jetzt auf einmal durchschaust du den Stuss von vorgestern. Man hat dir gesagt, du bist aus Fleisch und Knochen gemacht. Nein! Du bist aus Tagen und Stunden gemacht. Jetzt sind sie abgelaufen. Verzweifelt beschließt du, das Buch sofort zu lesen, wenn du aus dieser Szene der Angst und des Todes lebend rauskommst.
Da rauscht leise ein Motorboot heran. Man hält, man fischt dich auf und man setzt dich an Land ab.
Lange genug bist du dem Verhängnis gefolgt, nun merkst du, dass du dir selbst gefolgt bist.
Mit einem Schlag wirst du unternehmungslustig. Gut. Was willst du tun? Willst du dir mit dem Klatschmohn ein Ohrfeigengefecht liefern? Mutig, mutig.
Ich warne dich. Du wirst Brennstoff der Hölle sein, wenn du deine Zeit mit Sinnlosem verschwendest.
Trenn dich von deinen falschen Feinden. Aus Angst vor Einsamkeit hast du dich mit Leuten abgegeben, deren subtiler Wahnsinn deine Seele krank machte und deinen Körper faulen ließ.
Also such dir einen würdigen Feind und sorgt dafür, dass er dich ebenso hasst wie du ihn, denn einseitiger Hass ist langweilig. Dein Feind soll dir treu bleiben und mit niemand anderem Streit suchen als mit dir.
Wer kann das sein? Überleg. Wer hat deine Narzissen zertrampelt und deinen Vöglein die Kehle durchgeschnitten? Ja, jetzt erinnerst du dich an damals, als ihr euch noch mit euren Säbelbeinen gegenseitig die Schädel spaltetet. Blut floss wie Champagner.
Er ist es. Der aussieht wie eines jener Arschgesichter, die ständig gegen den Wind kacken.
Er pfeift aus seinem letzten Loch und der Geruch ist unerträglich. Deine Feindschaft wird ihn beleben wie hundertzwanzig Peitschenhiebe. Er weiß noch nicht, dass das Leben eine Farce ist. Sofern es denn ein Leben gibt.
Verspricht ihm nichts und dieses Versprechen halte. Du nennst ihn Kecskemét und behandelst ihn entsprechend.
Geh zu ihm, er hat sich auf seinen Hintern gesetzt, hält die Backen und wartet darauf, dass du ihm sagst: Lies dieses Buch.
Gib es ihm und er wird sehen: Nur der kann das Buch lesen, der weder Weltuntergang fürchtet, noch Kulturschande oder die Vision einer entnervten, verblödeten Menschheit.
Ist er das? Bist du es? Kämpfe darum mit allen Mitteln.
Aber bedenke: Wer wird dich an deinen Schandtaten erkennen, wenn keine von ihnen deine Handschrift trägt? Also füll deinem Feind die Taschen mit Tod und Verwesung, verkleb sie und tacker sie ihm an den Leib.
Du verhältst dich, als wären tausend schwarze Teufel in dich gefahren, damit kannst du weit kommen.
Deshalb frag dich: Ist es die Feindschaft mit dem Arschgesicht wert, dass du ihr Dauer verleihst, als wäre es Liebe? Dauerhafte Liebe führt zu Fleischesschwund, sobald sie über den Tod hinausgeht. Also lass es.
Endlich bist du auf dich gestellt, aufrecht in der Welt. Aber bedenke, dass du kein Leuchtturm bist. Die Lichtsignale für künftige Wracks senden andere aus. Und ich warne dich: Das Buch hast du immer noch nicht gelesen. Lies es!
Geh in dich, auch auf die Gefahr, im Leeren zu stehen. Und üb dich, üb dich in Selbstsucht, bis du ihr Meister bist. Warum sollst du leiden, wenn andere es besser können?
Folge dem Rufen in dir, egal ob innere Stimme oder unerkannter Tinnitus.
Bleib dir selbst treu und betrüge die Anderen. Indem du die Anderen betrügst, bleibst du dir selbst treu. Nur die Treue zählt!
Wohin zieht es dich? – Überall kann man glücklich sein. Nur, was hat man davon?
Jetzt wohnst du in einem Dorf, das noch keines Menschen Fuß betreten hat.
Du fühlst dich wie ein mutterloser Drache.
Such das Chaos und wirf dich hinein.
Menschenähnliche Subjekte durchtoben die Gegend; nimm dich in Acht.
Marodierende Beamte haben sich bewaffnet und verfolgen in rasender Wut ihren schlimmsten Peiniger: dich – den unkorrekten Ausfüller von Formularen.
Flieh vor ihnen, such dir ein Kellerloch und lies dieses Buch.
Denke ja nicht, du vergeudest deine Scheißzeit. Andere vergeuden ihre auch nicht und ihre ist viel scheißer als deine.
Warte nicht auf den Tag der Abrechnung; Ungerechtigkeit widerfährt dir überall, du erlebst sie täglich, gerade du. Ein Beispiel: Auch andere haben in Einkaufszentren in stille Ecken uriniert und niemand hat ihnen daraus einen Strick gedreht. – Aber dir dreht man aus deinem Urin Stricke, die dicker sind als ein Elefantenrüssel.
Das ist kleinlich.
Gibt es noch Großzügigkeit? Du siehst dich um, du horchst und hörst:
In der Welt der Hässlichen und Mächtigen spielt die Musik, laut und auffordernd, und was tust du?
Der Bundespräsident bittet dich um diesen Tanz und du gibst ihm deine Einkaufstasche statt eines Korbes. Dass das Buch drin ist, ist eine dürftige Entschuldigung.
Kein Wunder, dass im Schloss Bellevue deine Sektbestellung ignoriert wird. Du denkst dir, geschulter Gabelwerfer müsstest du sein, dann würden dich die Kellner respektieren.
Die Tellerlecker des Bundespräsidenten sagen dir: Wie man ins Brot hineinbeißt, so beißt es zurück.
Du denkst dir: Auch Absurdes kann gelogen sein.
Wird man dir die Freiheit nehmen, dich in ein Rattenloch werfen, dir Nahrung verweigern und deine Haut mit Peitschenhieben kerben?
Ja. Das Kopfgeld, das auf deinen Arsch ausgesetzt ist, treibt den DAX auf Rekordniveau.
Du siehst das Verbrechen kommen und sagst dir: Hätte ich um Hilfe gerufen, als man mich noch ernst nahm. Nein! Hättest du dein Leben lang um Hilfe gerufen, hätten dich alle gemieden. Auch deine Verfolger. Nun sind deine Verfolger die Einzigen, die dich noch ernst nehmen.
Mach’s Beste draus.
Lass dich fangen und sag einem von ihnen:
Lies, was dich voranbringt, Verfolger. Dieses ist dein Schicksal. Dein Schicksal ist ein Buch.

Wollen Sie den Brenner unter Ihrem Gesäß spüren, damit Sie ein Wind durchweht wie ein Taifun? Dann reißen Sie die Zähne zusammen und lesen Sie:

Szenen der Angst
(Das Buch)

Erhältlich bei Amazon.

  • Szenen der Angst

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